Die Service- und BeratungsCentren unterstützen Unternehmen in der Euroregion Pomerania bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Davon hat auch der Stettiner Konditor und Bäcker Jan Tabiński profitiert, der in der Vergangenheit auch schon mit ganz anderen Waren gehandelt hat. Unser Mitarbeiter Martin Hanf hat sich mit ihm zum Gespräch in Rothenklempenow nahe der deutsch-polnischen Grenze getroffen.
SBC: Herr Tabiński, könnten Sie sich bitte kurz vorstellen.
Jan Tabiński: Ich heiße Jan Tabiński und bin Inhaber des Unternehmens “PPH TAST”, das auch meinen Namen trägt. In Stettin kennt man uns eher unter dem Namen Filipinka. Wir sind zugleich Bäckerei, Konditorei, Café und ein Geschäft, in dem biologische Produkte verkauft werden. Das Unternehmen existiert schon ziemlich lange, genau genommen seit dem Jahr 1963. Gegründet wurde Filipinka als Café und Konditorei von meinem Vater, der auch Jan hieß.
SBC: Gab es in Stettin nicht auch eine erfolgreiche Band mit einem ähnlichen Namen?
JT: In unserem Stadtteil gingen ein paar Mädchen in die Oberschule, die mit Unterstützung ihres Musiklehrers die Band Filipinki gründeten. Sie waren in den 60er Jahren in ganz Polen bekannt. Meine Mutter war ein großer Fan von dieser Musikgruppe, mir gefielen eher die Beatles… Mit anderen Worten: Die Filipinki waren nicht meine Lieblingsband, aber meine Mutter war so entzückt von den Mädchen, dass sie meinen Vater dazu überredete das neue Café nach ihnen zu benennen.
SBC: Kommen wir zu Ihrem Angebot. Gibt es bestimmte Waren, die bei Ihren Kunden besonders beliebt sind?
JT: Wir sind eine Konditorei und Bäckerei mit einem sehr umfangreichen Sortiment. Es gibt Monate, in denen wir bis zu 160 verschiedene Produkte herstellen, immer abhängig davon, wie viel Personal uns zur Verfügung steht. Ein Schwerpunkt sind unsere ökologischen Backwaren, bei denen wir auf im Allgemeinen auf Weizen verzichten. Wir bieten zwar keine glutenfreien Produkte an, aber für Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien ist unser Gebäck sehr gut geeignet. Wir backen mit traditionellem Getreide, auch mit Dinkel, wobei wir uns anfangs durch die Rezepte inspirieren ließen, die bereits die heilige Hildegard von Bingen kannte. Heute arbeiten wir auch mit Professor Ewa Stachowska, Diätistin der Pommerschen Medizinischen Universtität, zusammen und haben Produkte entwickelt, die klinisch erprobt worden sind. Außerdem haben wir auch spezielle Backwaren mit probiotischen Effekten für Menschen entwickelt, die in ihrer Arbeit viel sitzen und deshalb Probleme mit der Verdauung haben.
SBC: Aber vielleicht sollten wir auch nicht ganz die “Stettiner Lebkuchen” vergessen, nach denen die Kunden grenzüberschreitend fragen…
JT: Ich würde sagen, dass das ein typisch deutsch-polnisches Produkt ist. Die Stettiner Lebkuchen haben ihren Ursprung noch in der Vorkriegszeit und waren damals bekannter als die heute in ganz Polen verkauften Lebkuchen aus Toruń. Die Zäsur kam mit dem Krieg und nach 1945 hatte niemand im polnischen Szczecin Interesse diese Tradition fortzusetzen. Erst die europäische Integration führte dazu, dass man sich dem Thema neu gewidmet hat. Wir sind vom Marschallamt der Wojewodschaft Westpommern dazu animiert worden, dass Produkt zu registrieren. Als Regionalmarke ist es in ganz Europa geschützt. Ohne die Unterstützung verschiedener regionaler und europäischer Förderinstrumente wäre dieses Produkt im gewissen Sinne gar nicht entstanden. Aber wenn man die Mittel sinnvoll einsetzt, dann hat die Ware auf dem Markt auch Bestand.
SBC: Kommen wir noch einmal zurück zu Ihren Anfängen…
JT: Ich bin ausgebildeter Chemiker genauso wie meine Frau. Wir haben beide das Studium an der damaligen Polytechnischen Hochschule und heutigen Westpommerschen Technischen Universität in Szczecin abgeschlossen. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass wir uns heute so intensiv mit ökologischen Themen auseinandersetzen. Das Chemie-Studium war uns sicherlich bei der Entwicklung der Rezepturen, dem eigentlichen Produktionsprozess und auch bei der Beurteilung der Endprodukte sehr hilfreich.
Es war nicht meine Idee, das Unternehmen von meinem Vater zu übernehmen. Filipinka war ein Familienunternehmen, das von meinen Eltern geführt wurde und bei dem ich mithelfen musste. Ich habe viel Zeit während meiner ganzen Schul- und Studienzeit in der Backstube und am Verkaufstresen verbracht. Als ich im Jahr 1983 das Unternehmen von meinem Vater übernommen habe, war er bereits 76 Jahre alt. Damals hat mich die Arbeit wie eine Lawine erfasst. Das lag natürlich auch daran, dass wir expandierten und mit der eigenen Produktion begannen. Wir haben andere Verkaufsstellen eröffnen und hatten auf unserem Höhepunkt ca. 60 Mitarbeiter.
Die damaligen Zeiten sind mit der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht vergleichbar. Die Einkommensbesteuerung für gastronomische Betriebe lag bei 85 Prozent. Mit anderen Worten lohnte sich eine Expansion ab einen gewissen Grad überhaupt nicht, weil die Finanzbehörden alle Gewinne einstrichen. Also stand man vor der Alternativen zu mogeln oder klein zu bleiben. Die Kontrollen waren sehr penibel und sehr gefährlich, weil sie zu einer Schließung innerhalb von ein paar Tagen führen konnten. Das zweite Problem war die Versorgungslage. Die notwendigen Waren gab es nicht. Da der privatwirtschaftliche Bereich sehr klein war, musste man ständig improvisieren.
Mein Ziel damals war es unabhängiger agieren zu können. Wir haben in diesen Zeiten vor allem auf Bestellung gearbeitet. Die Umsätze mit dem Café waren eher unbedeutend. Wir waren als Groß- und Zwischenhändler aktiv, verkauften an große Einzelhandelsgeschäfte und hatten Distributionsverträge mit verschiedenen Produzenten.
SBC: Und wann haben Sie angefangen auch ökologische Produkte zu verkaufen?
JT: Das hatte eine ziemlich lange Vorgeschichte und meine Erfahrungen als Zwischen- und Großhändler haben dabei eine wichtige Rolle gespielt. Unsere Haupterträge erwirtschafteten wir allerdings damals in einer ganz anderen Branche, dem Handel mit Zigaretten! Anfang der 90er Jahre suchten die polnischen Tabakunternehmen nach Partnern, als das Vertriebsnetzwerk aus sozialistischen Zeiten zusammengebrochen war. Zu dieser Zeit hatte ich meine Handelstätigkeiten gerade ausgebaut und es fiel mir nicht schwer, Kontakte zu dieser Branche zu knüpfen. Mein Unternehmen hat dann Verträge mit allen polnischen Zigarettenunternehmen unterschreiben. Die polnische Tabakindustrie war damals eine der größten in Europa.
Leider sind alle Unternehmen bis zum Jahr 2000 an ausländische Konzerne verkauft worden und heute gibt es wohl keinen einzigen polnischen Produzenten mehr. Und damit geriet die Jahrhunderte alte Tradition der Tabakwirtschaft in Vergessenheit und die Leute begannen andere Sachen anzubauen. Und das ist vielleicht auch gut so. Ich persönlich habe nie Zigaretten geraucht und habe das auch niemals irgendjemandem empfohlen. Meine Handelsaktivitäten in der Tabakbranche hatten mit den Wendejahren in Polen zu tun, als jeder versuchte irgendwie durchzukommen. Umsätze in diesem Bereich zu machen war ziemlich einfach. Mit den Zigaretten hatte ich dann aber nichts mehr zu tun…
SBC: Mit anderen Worten. Sie mussten in einer anderen Branche aktiv werden…
JT: Eigentlich wurde ich nicht gezwungen meine bisherigen wirtschaftlichen Aktivitäten aufzugeben, aber ich kam zu dem Schluss, dass es keinen Sinn macht, sich dieser Entwicklung zu widersetzen. Gegen die ausländischen Unternehmen hätte man sich nicht durchsetzen können und letztendlich hättest Du dann nur nach ihrer Pfeife tanzen dürfen. Daher haben wir beschlossen, den bisherigen Handel aufzugeben. Unsere gastronomischen Aktivitäten hatten wir ja weiterhin betrieben. Wir haben dann ab dem Jahr 2000 damit begonnen, unsere makrobiotischen Produkte zu entwickeln und haben Kontakte mit Bio-Landwirten geknüpft. Damals bekamen wir auch die Möglichkeit unsere Produkte auf Messen und Ausstellungen vorzustellen, weil die lokalen Behörden uns gerne als Regionalproduzenten unterstützten. Im Jahr 2004 haben wir unsere ersten Bio-Zertifikate erhalten und haben verschiedene Rezepturen mit unseren Mitarbeitern entwickelt. Die BIO-Zertifikate sind in ganz Europa gültig, d. h. nach dem Wegfall der Grenzkontrollen ist es ziemlich einfach gewesen, die Waren auch im Ausland zu verkaufen. Der Beitritt Polens zur Europäischen Union war dabei ein Meilenstein. Die Prozeduren für den Verkauf im Ausland wurden immer einfacher und haben schließlich fast gar keine Rolle mehr gespielt.
Wir sind in der Folge auch ein Dutzend Mal zur BIOFACH (weltgrößte Messe für Biohandel in Nürnberg, A. d. A.) gefahren, mit Unterstützung der Lokalverwaltung und dank europäischer Fördergelder, denn die Standgebühren auf dieser Messe waren sehr hoch. Unsere Firma hätte sich das nicht leisten können. In der Folge konnten wir mit einigen Kontrahenten eine Zusammenarbeit vereinbaren, die unsere Ideen teilten.
Ich habe meine Tätigkeit immer als Handwerk betrachtet, denn letztendlich ist das fertige Produkt ein Ausdruck eines Schöpfungsprozesses. Angeblich „nachhaltige ökologische Waren“, die in einer automatisierten Prozedur hergestellt werden, sind meiner Meinung eine Katastrophe! Das Entscheidende ist die Beziehung des Menschen zu seinem Produkt. Ich hatte nie die Absicht eine “ökologische” Fabrik zu eröffnen. Für mich verbindet sich mein Beruf ideal mit der ökologischen Idee und deshalb habe ich auf dieses Konzept gesetzt.
Leider hat unser Handwerk in den letzten Jahren durch eine fehlgeleitete Bildungspolitik einen Niedergang erlebt. Die Berufsschulen, die auf die handwerklichen Berufe vorbereiten sollten, sind vernachlässigt worden. Stattdessen werden die Jugendlichen auf Gymnasien geschickt, die sie nicht praktisch auf den Beruf vorbereiten, und wo ihnen nur ein abstraktes Wissen vermittelt wird.
SBC: Mich würde noch interessieren, wie die Reaktionen der Kunden waren, als sie anfingen, ökologische Produkte in ihrem Café anzubieten?
JT: Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Reaktionen auf unsere Ideen positiv ausgefallen sind. Die Kunden kommen aus ganz Stettin zu uns. Als wir unsere neuen Produkte zur Jahrtausendwende auf den Markt brachten, steckte die ökologische Bewegung in Polen noch in ihren Kinderschuhen. Am Anfang war das ökologische Bewusstsein nur sehr schwach ausgeprägt und die Mehrheit der Leute wusste auch nicht, was unsere Zertifikate sollten. Wir mussten erst einmal Aufklärungsarbeit leisten und deutlich machen, was unsere Produkte von den konventionellen Waren unterscheidet.
In dieser Zeit wurden im Westen schon im großen Ausmaß Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt, die über die Nahrungsmittelkette in den Organismus gelangen und furchtbare Krankheiten zur Folge haben. Heute kann man im Prinzip in fast jedem Brot Rückstände von “Roundup” finden. Wir verwenden in unserer Bäckerei ausschließlich Getreideprodukte aus ökologischem Anbau.
SBC: Würden Sie sagen, dass in Polen das ökologische Bewusstsein heute gleichermaßen ausgeprägt ist wie Deutschland?
JT: Anfang des Jahrtausends waren die Unterschiede noch enorm. In Deutschland gab es viel Verständnis für ökologische Themen, in Polen kaum. Heute sind es vor allem junge Leute, die sich für das Thema interessieren, und die Medien berichten sehr viel mehr darüber als früher. Durch das Internet findet man auch viel mehr Informationen zum Thema und hat die Möglichkeit, ökologische Produkte online zu kaufen. Oder die Waren werden auf Märkten wie in Greifswald angeboten, wo wir unsere Ware frisch verkaufen können. Die deutschen Gemeinden fördern gezielt die verschiedenen Regionalproduzenten. Das Konzept ist wohl durchdacht, die Märkte befinden sich im Zentrum der Ortschaften.
SBC: … und auch ausländische Unternehmer haben durch die europäische Integration die Möglichkeit ihre Produkte dort anzubieten…
JT: Genau. Mit allen Händen, die unserem Handwerksbetrieb zur Verfügung stehen, fertigen wir unsere Waren für die deutschen Kunden:innen an, die unsere Form der Arbeit und unser Sortiment sehr schätzen.
SBC: Im Oktober letzten Jahres sind Sie auf Einladung des Greifswalder Service- und BeratungsCentrums der Euroregion Pomerania zu einem deutsch-polnischen Netzwerkabend von Regionalproduzenten nach Greifswald eingeladen worden, bei dem Sie Ihr Unternehmen und Ihre Produkte präsentieren konnten. Welche Bedeutung haben solche Veranstaltungen für Sie?
JT: Für mich sind solche Veranstaltungen eine Inspirationsquelle und auch eine gute Möglichkeit, Informationen zum aktuellen Marktgeschehen zu erhalten. Man kann sich mit den Kollegen über Probleme austauschen, erfährt z. B. auch, wo man seine Produkte anbieten kann und was allgemein auf dem Markt angeboten wird. Ich nehme sehr gerne an solchen Treffen teil, weil sie mir ermöglichen bessere Entscheidungen zu treffen.
SBC: Wir kommen heute bei der Höfegemeinschaft Pommern in Rothenklempenow zusammen. Macht Ihnen das Engagement, das Sie hier vor Ort beobachten, Hoffnung, was Ihr Unternehmen angeht?
JT: Mit den Ideen, die hier vor Ort verwirklicht werden, fühle ich mich eng verbunden. Ökologischer Anbau den natürlichen Zyklen folgend, Zertifizierung durch Demeter, das alles macht meiner Meinung nach Sinn. Ich finde das ganz wunderbar. Selbst wenn sie einmal nur drei Brote bei mir bestellen, beliefere ich sie [lacht]. Mir gefällt auch, dass sie hier auch auf Umweltbildung setzen. Damit sind sie zugleich auch ein Ort der Inspiration.
SBC: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch mit Jan Tabiński fand im August 2022 statt. Martin Hanf ist Mitarbeiter des Service- und BeratungsCentrums der Euroregion POMERANIA für Barnim und Uckermark. Der Text ist beim Interview-Wettbewerb „Besseres Leben dank Interreg“ anlässlich des EC-Days durch das Gemeinsame Sekretariat ausgezeichnet worden.